NWX22 - Ein Tag in Hamburg 3.0

12.09.2022

2.000 Menschen, 100+ Sprecher:innen auf 10+ Bühnen und 1 Thema: NEW WORK. Einige Wochen später fragen wir uns „Was blieb hängen von der NWX 2022?“

12:15 Uhr. Perspektivwechsel. Vom großen Saal geht es quer durch die Elbphilharmonie. Wir treffen auf Marcus Merheim, Gründer von hooman EMPLOYER MARKETING. In einer gewaltigen Folienschlacht rockt er, mit Schweiß auf der Stirn, in einem Wahnsinnstempo die Bühne. Worum ging es gleich nochmal? Dem Titel „Mein linker, linker Platz ist frei.“ zu entnehmen geht es um dem Fachkräftemangel im Kontext mündiger Young Professionals.
Kurzum, es geht um die Bedürfnisse der jungen Garde, die aktuell auf den raren Arbeitsmarkt trifft. Ja, es ist so weit, Unternehmen kämpfen um euch junge Elite. Wenn wir Marcus Merheim trauen dürfen, dann wünscht ihr euch die Möglichkeit, einen sinnstiftenden Beitrag leisten zu können. 74% von euch stellen höhere Anforderungen an den Arbeitgeber als in der Vergangenheit. Die Nachfrage bestimmt den Preis oder ist es wirklich der Sinn nach mehr Sinn? Schon wieder dieses Wort „Sinn“. Es ist zwar erst Mittag, aber wir erahnen langsam worum es sich hier zu drehen scheint. Zurück zum Vortrag, auch hier gibt es weitere Zahlen. Lediglich 6% der Arbeitnehmer:innen empfinden das Büro ruhiger als das eigene Zuhause und sehen das Büro der Zukunft immer mehr als Treffpunkt und weniger als Ort der eigentlichen Arbeitserbringung. Wir empfinden es als sehr schade, dass es Unternehmen scheinbar nicht schaffen, ihren Menschen ruhige Arbeitsorte anzubieten. Im Grunde doch sehr einfach, wenn sich alle danach sehnen. Es geht zurück zu den Bedürfnissen und Eigenschaften der Young Professionals. Sie werden beschrieben als purpose-driven, sie wünschen sich mehr Vertrauen, wünschen sich Lernimpulse und brauchen Klarheit. Klingt für uns machbar.
13:45 Uhr. „Hier sind wir!“ lautet der Titel der nächsten Herren auf der Bühne. Und wie es der Zufall will, sind es zwei junge Menschen und ein Moderator, die zu Themen ihrer Generation sprechen. Vorweg, ich empfinde die ständigen Generationsdiskussionen arg anstrengend. Menschen sind nicht einfach in Schubladen zu stecken, auch nicht in Generationen-Schubladen. Nun gut, geben wir ihnen die Chance.

Blicken wir gemeinsam in die Veranstaltungsbeschreibung finden wir Dario Schramm (Governmental Affairs Manager simpleclub GmbH), Fabian Grischkat (Aktivist) und Thorsten Giersch (ab 1.8. Chefredakteur von „Markt und Mittelstand“). Liest sich erstmal spannend, zumal ich sie nicht kenne und zwei ihrer Berufsbezeichnungen mir ins Auge springen. Eine davon musste ich Googlen. Solche Momente mag ich. Wer sitzt nun vor uns? Das zeigt sich sehr schnell. Augenscheinlich junge Menschen, die es gewohnt/geübt sind auf der Bühne zu sprechen. Rhetorisch geschickt, weitsichtig, intelligent, fokussiert, dabei wunderbar offen für die Welt, punktuell kritisch, fair, verständnisvoll, fordernd, klar und irgendwie verdammt erwachsen… oder ist es Reife? Erste These, um reif zu sein muss ich nicht alt sein.

Moderat moderiert beantworten Dario und Fabian plakative Fragen zu jungen Menschen im Kontext Arbeit. Ein wenig aufgesetzter Humor rundet die durchaus unterhaltsame Diskussion ab. Wer genau hinhört kann aber viel erfahren, viel Tiefe. Aus den Annahmen zu gleichaltrigen Menschen, die aktuell ins Arbeitsleben starten, können wir viel mitnehmen. Interessant ist die Annahme, dass sich Menschen austauschbarer fühlen, wenn sie im Homeoffice arbeiten müssen. Mit Blick auf einen Menschen, der bei einem neuen Arbeitgeber beginnt, vielleicht seine erste Festanstellung unterschrieben hat, das Unternehmen, die Vorgesetzen und Kollegen:innen nur aus Teams-Calls kennt, ist das durchaus nachvollziehbar. Wie soll Bindung entstehen und Sicherheit wachsen, wenn man sich im Grunde nicht kennt. Kritisch betrachtet kann das zum Gefühl der Austauschbarkeit führen. Wertvolle Betrachtung. Sind unsichere Mitarbeiter:innen mutig? Selten. Also was tun? In die Begegnung kommen. Zweite These, Menschen brauchen echte Begegnungsmöglichkeiten, ansonsten gehen sie.
Themensprung. Die Auseinandersetzung mit den Begriffen Nachhaltigkeit und Wertearbeit in Unternehmen. Alle sind sich einig, dass Unternehmen an der Stelle flächendeckend Nachholbedarf haben. Und das nicht, weil es schick ist, sondern weil es wirklich relevant und überfällig ist. Diese Meinung teile ich im Übrigen. Menschen, die auf den Arbeitsmarkt dringen haben andere und teilweise höhere Erwartungen. Und das ist gut so. Sie erwarten u.a. eine Auseinandersetzung und Verbesserung in Sinne des nachhaltigen Handelns. Fabian Grischkat bricht eine Lanze. „Junge Menschen erwarten von Unternehmen nicht, dass sie fertig sind mit der Umsetzung dieser großen und schweren Aufgaben. Sie erwarten, dass Unternehmen die Themen als wichtig erkennen und sich auf den Weg gemacht haben, etwas zu verändern.“ Wie gut ist das denn bitte? Ich empfinde diese Aussage als unfassbar dienlich. Liebe Unternehmen, zeigt in euren Broschüren doch bitte weniger, was ihr vermeintlich alles getan habt im Sinne vom Greenwashing-Gedanken, sondern zeigt, wo ihr steht, was eure Aufgaben sind und ladet alle ein, daran zu arbeiten. Teilt eure Haltung zu den Themen und seid ehrlich,… zu der Welt und vor allem zu euch selbst. Dritte These, Unternehmen müssen authentisch sein, um attraktiv zu sein.

Zuletzt wird ein Vorwurf diskutiert, „Junge Menschen sind weniger loyal zu ihren Arbeitgebern.“ Die Aussage bekommt ein klares Nein. Grischkat und Schramm führen aus. Die Welt ist wandelbarer geworden, so auch die Arbeitswelt. Modelle, in denen Mitarbeiter:innen ihr Leben lang bei einem Arbeitgeber:in verweilen, werden deutlich weniger. Das hat nichts mit dem Verlust von Loyalität zu tun, das ist die neue Zeit. Neu muss nicht immer besser sein. Hat uns das Precht nicht auch schon mitgeteilt? (siehe „Ein Tag in Hamburg Teil 2“). Vierte These, Menschen werden in Zukunft häufiger wechseln, um vielleicht zufriedener zu sein.
1 Gespräch, 2 wirklich wache Menschen, 3 relevante Überschriften und 4 Thesen. Macht was draus.

Autor: Sebastian Seger